Melancholische und magische Momente des Lebens

Von Friedhelm Denkeler,

»Sibylle Bergemann – Polaroids« in der C|O-Galerie im Postfuhramt in Berlin bis zum 4. September 2011

Mich interessiert der Rand der Welt, nicht die Mitte. Das Nichtaustauschbare ist für mich von Belang. Wenn etwas nicht ganz stimmt in den Gesichtern oder Landschaften. [Sibylle Bergemann]

"Keine Angst vor rot, blau, gelb", Polaroid SX-70, Foto © Friedhelm Denkeler 1987
»Keine Angst vor rot, blau, gelb«, Polaroid SX-70, Foto © Friedhelm Denkeler 1987

Dieses Zitat der Fotografin Sibylle Bergemann (Selbstporträt) gibt den persönlichen Anspruch an ihre künstlerischen Arbeiten wieder: Sie zeichnet in ihren Bildern die Melancholie und die magischen Momente des Alltäglichen auf. Das Polaroid-Material, insbesondere der SX-70-Film, kam ihr dabei entgegen: Die Bilder weisen oft einen Farbstich und einen leichten Schleier auf und man spürt die Patina der Originale, eben Polaroids. Es sind schöne Bilder, die aussehen als seien sie spontan entstanden, denen aber stets kompositorische Überlegungen vorausgingen. Sibylle Bergemann ist mit der Modefotografie groß geworden und das hat ihr Auge geprägt.

Der Tagesspiegel schreibt zu Bergemanns Bildern: »Unscharf sind auch etliche Polaroids – oft die schönsten – mit denen die Fotografin, diese so zurückhaltende wie unverwechselbare Ausnahme-Erscheinung der deutschen Fotografie, dem Betrachter noch einmal persönlich entgegentritt. Die Momentaufnahmen aus allen Schaffensperioden sind zum Teil Begleiterscheinungen ihrer Modefotografie, zum Teil Notate von Reisen und Reportagen, oft auch private Augenblicke, in der legendären Wohnung von Sibylle Bergemann und Arno Fischer am Schiffbauerdamm oder im stillen brandenburgischen Landhaus, im Garten, am Feldrand oder nur der Blick aus dem Fenster. Getragen von einem Grundton des Schwebend-Verträumten, sind es Einblicke in ein Märchenland, das vor der Haustür liegt oder im Nachbarsgarten, schon zur Entstehungszeit nicht ganz von dieser Welt, heute mehr denn je.«

Das Sofortbild an sich scheint zur Zeit ein kleines Revival zu erleben: Helmut Newtons Polaroids sind aktuell im Museum für Fotografie zu sehen (siehe Das Unvollkommene am Perfekten), letztes Jahr zeigte Julian Schnabel seine Polaroids in Düsseldorf, in Siegen werden ab dem kommenden Sonntag im Museum für Gegenwartkunst die vergrößerten Polaroid-Fotos von Cy Twombly ausgestellt, in Wien ist die historische Polaroid-Sammlung im Museum »WestLicht« zu sehen und jetzt Sibylle Bergemann bei C/O.

Aufschlüsse über einen Menschen finde ich in den Dingen, mit denen er sich umgibt. Der Mensch ist da, auch wenn er auf dem Foto nicht zu sehen ist. [Sibylle Bergemann]