Von der Punkpoetin zur Chefin einer Rock ‘n’ Roll-Band: Patti Smith mit »Gloria«

Von Friedhelm Denkeler,

Die Geschichte einer Freundschaft mit Robert Mapplethorpe

Jesus died for somebody’s sins but not mine/ Meltin‘ in a pot of thieves/ Wild card up my sleeve/ Thick heart of stone/ My sins my own/ They belong to me, me  [aus: Patti Smith »Gloria«]

"Anruf von Patti", Polaroid SX-70, Foto © Friedhelm Denkeler 1988
»Anruf von Patti«, Polaroid SX-70, Foto © Friedhelm Denkeler 1988

Es war einmal im Summer of Love 1967, in dem eine zehn Jahre währende, tragische Liebesgeschichte zwischen Rock und Kunst beginnen sollte: Die damals 21jährige Patti traf den gleichaltrigen Robert in New York und beide wollten Künstler werden.

Bald zogen sie zusammen; lebten mehr schlecht als recht von ihren Gelegenheitsjobs. Ins Kunst-Museum ging jeweils nur einer von beiden; zwei Eintrittskarten konnten sie sich nicht leisten, nach dem Besuch beschrieben sie sich gegenseitig die gesehenen Ausstellungsstücke.

Abends und nachts dichtete Patti, beeinflusst von der Beat-Genration, ihre wilde Punk-Prosa und Robert bastelte an seinen Collagen. Im März 1968 sahen sie gemeinsam das Doors-Konzert im Fillmore East, in dem Robert als Kartenabreißer jobbte. Patti beobachtete Jim Morrisson ganz genau und in ihr setzte sich der Gedanke fest »Das kann ich auch«.

Zehn Jahre später war Patti Smith ein berühmter Rock ’n‘ Roll-Star und Robert Mapplethorpe ein berühmter Fotograf. Im September 1975 nahm Patti Smith mit ihrer Band ihr erstes Album »Horses« im Electric-Lady-Studio von Jimi Hendrix auf. Es wurde zum Vorbild der englischen und amerikanischen Punk- und New Wave-Bewegung. Herausgesucht habe ich den folgenden, von Van Morrisson geschriebenen Song: Patti Smith: »Gloria«.

Es ist eine Aufzeichnung der Rockpalast-Nacht vom 22. April 1979. Wie jedes Mal, wenn der Rockpalast vom WDR aus Essen übertragen wurde, sahen wir im Freundeskreis, ich glaube es war bereits spät nach Mitternacht, den Auftritt von Patti Smith und ihrer Band. Es war eine reichlich chaotische Darbietung. Deshalb habe ich noch zwei weitere Videos herausgesucht: Patti Smith mit Gloria 1976Patti Smith in der Jools Holland Show 2007.

  • Cover: Das Cover zu Horses wurde mit einem S/W-Foto von Patti Smith, fotografiert von Robert Mapplethorpe, gestaltet.
  • Bedeutung: Die Rockzeitschrift Rolling Stone führt das Album Horses in ihren 500 Greatest Albums of All Time auf Platz 44. 2007 wurde Patti Smith in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen. Für ihre schriftstellerischen Arbeiten erhielt sie 2010 den National book Award, den wichtigsten amerikanischen Buchpreis.
  • Literatur: Patti Smith Just Kids – Die Geschichte einer Freundschaft, 2010
  • Album:Horses, 1975; Erste Seite: 1. Gloria: In Excelsis (Smith), Gloria (Van Morrisson), 2. Redondo Beach (Smith, Sohl, Kaye), 3. Birdland (Smith, Sohl, Kaye, Kral), 4. Free Money (Smith, Kaye); Zweite Seite: 1. Kimberly (smith, Lanier, Kral), 2. Break It Up (Smith, Tom Verlaine), 3. Land: Horses (Smith), Land of Thousend Dances (Chris Kenner), La Mer(de) (Smith), 4. Elegie (Smith, Lanier).
  • Besetzung: Patti Smith (Gesang, Gitarre), Lenny Kaye (Gesang, Gitarre), Jay Dee Daugherty (Schlagzeug), Ivan Kral (Bass, Gitarre, Gesang), Richard Sohl (Keyboard).
  • Daten: Patti Smith: geb. 30.12.1946 in Chicago, Robert Mapplethorpe: geb. 04.11.1946, gest. 09.03.1986

Aber insgeheim wusste ich, dass ich völlig umgekrempelt war, bewegt von der Erkenntnis, dass Menschen Kunst hervorbringen, dass Künstler etwas sehen, was andere nicht sehen [aus: Patti Smith »Just Kids«, nach dem Besuch als Zwölfjährige im Museum of Art Philadelphia]

Wir schnitten unsere langen Röcke minikurz wie die von Vanessa Redgrave in Blow Up, und suchten in Second Hand-Läden nach Paletots, wie Oscar Wild und Baudelaire sie getragen haben [aus: Patti Smith »Just Kids«]

Robert Mapplethorpe und der Mann im Polyesteranzug

Von Friedhelm Denkeler,

Patti Smith: »Ich war Roberts erstes Modell, sein zweites war er selbst!« Die C|O-Galerie kann bis Ende 2011 im Postfuhramt bleiben. Retrospektive Robert Mapplethorpe bis zum 1. Mai 2001 verlängert.

Foto © Friedhelm Denkeler 2005
Foto © Friedhelm Denkeler 2005

»Streng sezierend, radikal reduziert – Robert Mapplethorpes Stillleben und Porträts sind ruhige, formal vollendete Kompositionen in klinischer Reinheit. Bewegungen harmonieren bis ins Detail, makellose Körper werden zu Landschaften und explizit sexuelle Handlungen und Nacktheit zu kühlen, fast unerotischen Körperstudien, bei denen die technische Perfektion im Vordergrund steht. Diese auf die Spitze getriebene Ästhetisierung nimmt dem Inhalt seine Schärfe. Sie isoliert und öffnet den Blick auf das Wesentliche. Genau diese Konzentration und Sachlichkeit verleihen seinen Fotografien noch heute eine Aktualität.«

So kündigte die C/O-Galerie die retrospektive Mapplethorpe-Ausstellung an. Eigentlich ist zu Robert Mapplethorpe (1946 bis 1989) alles gesagt worden. Deshalb habe ich hier nur einige Links zu seinen Bildern Selbstporträt mit einem Knaufstock mit silbernen Totenkopf, Mapplethorpes berühmtes Foto Der Mann im Polyesteranzug und Patti Smith und Robert Mapplethorpe in jungen Jahren, gesetzt. In der Ausstellung ist den Portraits von Patti Smith ein eigener Raum gewidmet.

Patti, die zuerst Roberts Geliebte und nach seinem Coming-Out seine Freundin wurde, ist mit dem großartigen und, wie ich finde, ihrem schönstem Portrait zu sehen: Patti mit Anzugsjacke. Dieses Foto ist gleichzeitig auch das Cover-Bild ihrer LP Horses aus dem Jahr 1975. Auch das Foto Patti mit zwei weißen Tauben, das dann das Cover der LP Waves (1979) zierte, ist ausgestellt. Ein weiteres Portrait von Mapplethorpe zeigt Patti auf ihrer LP Dream Of Life (1988).

Die C/O-Galerie sollte ursprünglich die Räume im denkmalgeschützten Postfuhramt zum 31. März 2011 verlassen. Jetzt konnte sie mit dem Investor, einer Immobilien-Entwicklungsgesellschaft (siehe hier), erreichen, das noch bis mindestens zum Ende diesen Jahres der Ausstellungsbetrieb weitergehen kann. Vier weitere Ausstellungen, unter anderem von Fritz Eschen Berlin unterm Notdach – Fotografien 1945 bis 1955 (7. Mai bis 19. Juni 2011), können zum Glück noch gezeigt werden.