Sieben auf der Suche nach Gold – Nur eine kam durch

Von Friedhelm Denkeler,

Berlinale (V): Thomas Arslan: »Gold« mit Nina Hoss, Uwe Bohm

Das scheint die Berlinale der großen Dramen zu werden: Das polnische Homosexuellen-Drama angesichts der Kirche, das amerikanische Öko-Drama, das russische Bauern-Drama und heute Abend ein deutsches Einwanderungs-drama in Kanadas Nordwesten. Nicht, dass der Film »Gold« für den Goldenen Bären vorgesehen wäre; nein, die sieben Protagonisten sind auf dem Weg nach Dawson City, um Gold im Klondike River zu finden.

Thomas Arslan zeigte in seinen bisherigen Filmen das Leben junger Deutschtürken. Jetzt hat er seinen ersten historischen Film gedreht und dieses Mal sind die Deutschen die Migranten, die Einwanderer. Die Probleme stellen sich ihnen erst im Umgang mit der Natur. So spielt der Film überwiegend in den Wäldern, den Steppen und Bergen Kanadas und wenn sie Probleme mit Menschen haben, dann nur mit sich selbst und untereinander.

Ein Gemeinschaftsgefühl kommt in der Einwanderertruppe gar nicht erst auf. Das einzig verbindende Element ist der Wunsch nach Gold. Jeder ist für sich und redet wenig – genau wie im Western. Da passt die schweigsame und auf minimalistische Mimik beschränkte Nina Hoss bestens hinein. Natürliche Hindernisse stellen sich ihnen in den Weg, menschliche Schwächen erschweren das Weiterkommen. Die eigentlichen Bewohner der Region, die Bären, tauchen nicht auf, aber es gibt eine Bärenfalle und in diese tappt ausgerechnet der Journalist Gustav Müller, gespielt von Uwe Bohm, der außerordentlichen Spaß an seiner Rolle hat, hinein.

»Thomas Arslan und seine Hauptdarsteller«,  Foto © Friedhelm Denkeler 2013.
»Thomas Arslan und seine Hauptdarsteller«
Foto © Friedhelm Denkeler 2013

Arslan sieht seinen Film nicht unbedingt als reinen Western, es sind aber alle Elemente eines typischen Western vorhanden: Ein Mann hat ein dunkles Geheimnis (und wird von zwei Männern gejagt), einer ist der Verräter (ausgerechnet der Anführer), einmal geht ein schwarzer Mann (der Tod?) wortlos durch das Lager (aber von West nach Ost), die gesamte Gruppe besteht aus sieben Personen (»Die glorreichen Sieben«, »Die Sieben Samurai«), die herrliche Landschaft spielt eine große Rolle, nur Indianer waren wenige anzutreffen, die zudem noch friedfertig waren und gegen Geld den richtigen Weg wiesen.

Am Ende eines Westerns reitet in der Regel immer ein einsamer, übrig gebliebener Mann, gegen Westen in den Sonnenuntergang, heute Abend war es eine Frau: Nina Hoss als Emely Meyer. »Wir sind hier, um Filmen zu dienen, nicht um sie zu bewerten«, sagte der chinesische Regisseur Wong Kar Wai am Eröffnungstag der Berlinale, deshalb mein ehrliches Fazit: Mir hat der Film gefallen.

Kanada im Sommer 1898. Eine Gruppe deutscher Einwanderer macht sich mit Planwagen, Packpferden und wenigen Habseligkeiten auf den Weg in den hohen Norden. In Ashcroft, der letzten Bahnstation, brechen die sieben Teilnehmer auf. Mit ihrem Anführer, dem großspurigen Geschäftsmann Wilhelm Laser (Peter Kurth), wollen sie ihr Glück auf den neu entdeckten Goldfeldern in Dawson suchen.

Sie haben keine Vorstellung davon, welche Strapazen und Gefahren sie auf der 2500 Kilometer langen Reise erwarten. Unsicherheit, Kälte und Erschöpfung zerren an den Nerven der Männer und Frauen. Die Konflikte eskalieren. Immer tiefer führt sie der Weg in eine bedrohliche Wildnis.

Die Helden und Heldinnen des Berliner Regisseurs Thomas Arslan sind immer in Bewegung. Man lernt sie bei ihren Gängen durch ihren Alltag und durch ihr Leben näher kennen: den Gangster Trojan aus Im Schatten (Forum 2010) oder auch die aus der Türkei stammende junge Deniz aus Der schöne Tag (Forum 2001) und nun Emily. So gefährlich der Weg durch unerschlossenes Land ohne zuverlässige Karten auch ist – einer Sache ist sich Emily ganz sicher (Nina Hoss): Eine Rückkehr in ihr altes Leben kommt nicht in Frage. [Quelle: Filmbeschreibung] www.berlinale.de

Von der Freiheit zu gehen und der Freiheit zu bleiben

Von Friedhelm Denkeler,

Christian Petzold mit »Barbara«

Gestern Abend startete der erste von drei deutschen Filmen der Berlinale ins Rennen und vielleicht auch um einen der Bären – Christian Petzolds »Barbara«. Es ist ein handwerklich solider, schöner Film geworden, aber die Geschichte ist absehbar, einige Wendungen mehr hätten dem Film gut getan.

"Nina Hoss und Ronald Zehrfeld im Berlinale Palast", Foto © Friedhelm Denkeler 2012
Nina Hoss und Ronald Zehrfeld im Berlinale Palast, Foto © Friedhelm Denkeler 2012

Trotzdem: Der Film lebt von und mit der exzellent spielenden Nina Hoss. Viel Lob von den Kritikern. Ein Rätsel – das ist positiv gemeint – bleibt am Schluss: Wie kann man in einem untergehenden System leben, wie in solch einer Atmosphäre Menschen vertrauen? Hat man die Freiheit zu gehen oder zu bleiben überhaupt?

Vielleicht schlägt sich der Film auch mit zu vielen Klischees der DDR herum: Es herrscht eine Grund-Muffigkeit vor, sowohl bei den handelnden Personen, den Häusern und Straßen und der schlechten Ausstattung der Krankenhäuser. Oder war es wirklich so schlimm? Christian Petzold betonte in der Pressekonferenz allerdings mehrmals, es sei ihm nicht darum gegangen, die DDR zu rekonstruieren.

Die düsteren Landschafts-aufnahmen sind hervorragend gelungen. Die Szenen, in denen Barbara mit dem Fahrrad in der Abenddämmerung auf einem Feldweg, entlang vom Sturm gepeitschter Bäumen von der Klinik nach Hause fährt, werden in Erinnerung bleiben. Der Sehsinn wird geschult, aber auch der des Hörens: Petzold verzichtet auf Musik als reine Untermalung, auf den Klangbrei.

Der Film spielt in Mecklenburg-Vorpommern, gedreht wurde er aber in Kirchmöser, einem Ortsteil der Stadt Brandenburg an der Havel. Diese alte Arbeitersiedlung aus den 1920er Jahren steht heute unter Denkmalschutz und genau dort steht auch das Krankenhaus, das seit sieben Jahren nicht mehr benutzt wird und nun als Filmkulisse diente.

Sommer 1980 in der DDR. Die Ärztin Barbara hat einen Ausreiseantrag gestellt. Nun wird sie aus der Hauptstadt in ein kleines Provinzkrankenhaus strafversetzt. Jörg, ihr Geliebter aus dem Westen, bereitet ihre Flucht über die Ostsee vor. Barbara wartet. Die neue Wohnung, die Nachbarn, der Sommer und das Land, all das berührt sie nicht mehr. Sie arbeitet in der Kinderchirurgie unter Leitung ihres neuen Chefs André – aufmerksam gegenüber den Patienten, distanziert gegenüber den Kollegen. Ihre Zukunft fängt später an. André verwirrt sie. Sein Vertrauen in ihre beruflichen Fähigkeiten, seine Fürsorge, sein Lächeln. Warum deckt er ihr Engagement für die junge Ausreißerin Stella? Ist er auf sie angesetzt? Ist er verliebt? Barbara beginnt die Kontrolle zu verlieren. Über sich, über ihre Pläne, über die Liebe. Dann rückt der Tag ihrer geplanten Flucht näher. Nach „Gespenster“ (2005) und Yella (2007) stellt Christian Petzold seinen dritten Film im Wettbewerb der Berlinale vor. Wieder steht eine Frau im Mittelpunkt, die sich wie ein Phantom durch ihr eigenes Leben bewegt. Es ist ein Leben, in dem sich die Überwachung und die Angst davor tief in die menschlichen Beziehungen eingeschrieben haben. [Quelle: Filmbeschreibung] Trailer