»John, die Brille!« oder: »Leben im Nirgendwo viele Genies?«

Von Friedhelm Denkeler,

Nowhere Boy – Ein Film über John Lennons Jugendjahre

"Elli Meinert", ca. 1946, © Friedhelm Denkeler
»Elli Meinert«“, ca. 1946, © Archiv Friedhelm Denkeler

Zum 30. Todestag von John Lennon erinnert ein, im positiven Sinne, ruhiger und unspektakulärer Film an die Kinder- und Jugendjahre Lennons im Liverpool der späten Fünfziger.

»Nowhere Boy«, der zurzeit in den Kinos läuft, zeigt Lennon, wie wir ihn bisher nicht kannten: als sarkastischen Schüler und pubertierenden Rock ’n‘ Roll-Rebellen auf der Suche nach Orientierung, die er zu Hause nicht bekommt. Als er fünf ist, trennen sich seine Eltern, weil seine Mutter ein Kind von einem anderen Mann erwartet. Den Trailer zum Film finden Sie hier.

John wächst bei Mimi, der Schwester seiner Mutter auf, die ihn mit Strenge erziehen möchte und deren Fürsorge in den leicht unbeholfenen Worten »John, die Brille!« zum Ausdruck kommt. Eines Tages trifft John jedoch seine Mutter Julia. Diese lebenslustige Frau führt John in die aufregende Welt des Rock ’n‘ Roll ein. Bei einem Ausflug nach Blackpool tanzt er mit ihr vor einer Musikbox nach »Rocket 88« von Ike Turner.

Zwischen beiden Frauen, Tante Mimi und Mutter Julia, ist John hin- und hergerissen und bleibt es bis zum frühen Tod der Mutter, den er als gerade 17-jähriger verkraften muss. Sie stirbt bei einem Unfall, als sie gerade begannen, sich einander wieder anzunähern. »Es war das Schlimmste, was mir je widerfahren ist«, sagte Lennon später.

Liverpool ist in den späten fünfziger Jahren eine triste Stadt, in der die Erwachsenen ein strenges Regiment aufrechterhalten möchten. »Dein Leben wird im Nirgendwo enden«, prophezeit der Rektor dem Schüler John als er mit einem Magazin erwischt wird. John antwortet schlagfertig: »Leben im Nirgendwo viele Genies?« Lennon passt sich im Rocker-Outfit, mit Lederjacke und nach hinten gegelten Haaren, immer mehr und dem Rock ’n‘ Roll an. Seine Mutter bringt ihm das Banjospielen bei, Tante Mimi schenkt ihm eine Gitarre und er gründet seine erste Band , die »Quarrymen« (1956).

Natürlich war ich gespannt auf die erste Begegnung zwischen dem emotionalen John Lennon und dem viel rationaleren und talentierteren Paul McCartney im Jahre 1957. Nach anfänglicher Konkurrenzsituation lernen sich beide als ideale Ergänzung zueinander schätzen.

Der Name Beatles wird im Film kein einziges Mal erwähnt. Nur in der Schlussszene ahnt man den Beginn der Popgeschichte mit der Gründung der Beatles vor 50 Jahren. Mit den Worten »Ich fahr nach Hamburg« (1960) verabschiedet sich John von Tante Mimi. »Mit deiner neuen Band?«, antwortet sie und im Abspann läuft Johns traurigster »Song Mother you had me / But I never had you« und im Kino fließen Tränen.

Siehe auch mein Artikel »Du wirst vielleicht sagen, ich bin ein Träumer« über John Lennons Hit Imagine.

Du wirst vielleicht sagen, ich bin ein Träumer

Von Friedhelm Denkeler,

John Lennons »Imagine« – Imagine there’s no heaven/ It’s easy if you try/ No hell below us/ Above us only sky

»Graffito«, Venedig, aus dem Portfolio »Harmonie eines Augenblicks«, Foto © Friedhelm Denkeler 1979
»Graffito«, Venedig, aus dem Portfolio »Harmonie eines Augenblicks«, Foto © Friedhelm Denkeler 1979

In diesem Monat vor 30 Jahren wurde John Lennon in New York vor seinem Appartement im Alter von 40 Jahren ermordet. Muss man heute erwähnen, dass er als Mitgründer, Sänger und Gitarrist der Beatles weltberühmt wurde? Nein, das ist bekannt. Anfang der 1960er Jahre trat John Lennon mit den Beatles im Star-Club Hamburg und später im Cavern Club in Liverpool auf. Während dieser Zeit heiratete er Cynthia Powell und ihr Sohn Julien wurde geboren.

Die Beatles feierten in kurzen Abständen ihre weltberühmten Hits: Love Me Do (die erste Single, 1962), Please Please Me (Single und erstes Album), I Want to Hold Your Hand (1964), A Hard Day’s Night (1964, Single, Spielfilm), Michelle (1965), Eleanor Rigby (1966), Strawberry Fields Forever (1966), All You Need Is Love (1967), Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band (Konzeptalbum, 1967), Hey Jude (1967), Back in the USSR (1968), Lady Madonna (1968) und Let It Be (1969), um nur einige zu nennen.

1969 heiratete John Lennon in Gibraltar die Japanerin Yoko Ono, die er 1966 kennenlernte. Es folgte ihr berühmtes einwöchiges Bed-In in Amsterdam und sie gründeten gemeinsam die Plastic Ono Band. John Lennons letztes Projekt mit den Beatles war Abbey Road. Es wurde eines der erfolgreichsten Alben. 1970 verkündete Paul McCartney das Ende der Beatles.

1971 zogen Lennon und Ono nach New York. Sie traten gemeinsam in Konzerten auf und veröffentlichten erste Schallplatten. John Lennons zweites Album Imagine war das kommerziell erfolgreichste. Es erzielte weltweit Spitzenplätze in den Charts. Der Titelsong, der in der Bestenliste »500 Greatest Songs of All Time« der Zeitschrift Rolling Stone auf Platz drei steht, ist Lennons bekanntester Song: John Lennon: »Imagine«

John Lennon wurde am 8. Dezember 1980 von dem Attentäter Mark David Chapman in New York vor seinem Haus, dem Dakota Building in der 72. Straße, erschossen. Wenige Stunden vor seinem Tod gab Lennon seinem späteren Mörder noch ein Autogramm. Einer der zahlreichen Fans, die sich stets vor seinem Appartement aufhielten, machte an diesem Tag das letzte Foto von John Lennon, das gleichzeitig im Hintergrund Chapmann zeigt.