Alles kommt aus dem Schwarz und verliert sich im Weiß

Von Friedhelm Denkeler,

Betrachtungen zum photographischen Bild

Alles kommt aus dem Schwarz und verliert sich im Weiß [Louis-Bertrand Castel, Mathematiker]

2001 ging bei mir das ›analoge Zeitalter‹ in der Photographie mit einer letzten Serie »Sechsundreißig Tower« (die auf Malta entstanden ist) auf einem KODAK Tri-X-Film zu Ende. Heute kann ich jederzeit wählen, ob eine Serie in Farbe oder Schwarzweiß dem gewählten Thema am nächsten kommt. Übrigens: Mittlerweile hat Leica eine reine schwarzweiße-Digital-Kleinbildkamera im Programm.

Die herkömmliche Schwarzweiß-Fotografie hat allerdings heute als Massenmedium ihre Bedeutung verloren, aber ein hohes Maß an Ansehen erhält sie nach wie vor in der künstlerischen Fotografie und im Film. Seit dem Oscar-Erfolg 2012 des Films ›The Artist‹ wird das Schwarz-Verfahren wieder sehr geschätzt. Schon vorher haben Regisseure wie Jim Jarmusch, Woody Allen (›Manhattan‹), Michael Haneke (›Das weiße Band‹) oder die Coen-Brüder in Schwarzweiß gedreht und besonders in sogenannte Arthouse-Filme werden immer wieder einzelne Sequenzen eingebaut.

»Fünf Schlafende«, aus dem Portfolio »Der Elmgeist«, Foto © Friedhelm Denkeler 1980
»Fünf Schlafende«, aus dem Portfolio »Der Elmgeist«, Foto © Friedhelm Denkeler 1980

Die bewusste Wahl von Schwarzweiß-Bildern zwingen zu konzentriertem Sehen. Dabei werden Licht und Schatten, sowie Flächen, Linien und Strukturen präsenter. Durch die betont grafische Wahrnehmung wirken die Bilder authentischer und glaubwürdiger, die Farbe lenkt oft von der eigentlichen Bildaussage ab. Und sie heben sich wohltuend von den Reklame- und Modebildern und von Amateur- und Hobby-Bildern ab. Ihre stärkere künstlerische Wirkung wird geschätzt.

Dabei geht es nicht um das Nachahmen aus nostalgischen Gründen oder um das extreme Übertreiben der heutigen Hobbyfotografen mit ihren schwarzweißen Aufnahmen, die unnatürlich scharf und zu kontrastreich sind, sondern um den Inhalt – die Bildaussage.

Beim Betrachten von Schwarzweiß-Bildern spürt der Betrachter eher als bei Farbe, dass dies nicht die Realität ist, sondern ein Bild und dass es bei der Bildaussage weniger um Dokumentation geht, sondern um die Stimmungen im Foto. Siehe auch der Artikel »Schwarzweiß hat viele Farben«.

 Die ganze Vielfalt, der ganze Reiz, die ganze Schönheit des Lebens besteht aus Schatten und Licht [Lew Nikolajewitsch Tolstoi]

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