Bielefeld – Ein weites Feld für die Fotografie

Von Friedhelm Denkeler,

Die Bielefelder Schule. Fotokunst im Kontext

"Die Bielefelder Schule. Fotokunst im Kontext." (Eröffnung 07.09.2014), Foto © Friedhelm Denkeler 2014
„Die Bielefelder Schule. Fotokunst im Kontext.“ (Eröffnung 07.09.2014), Foto © Friedhelm Denkeler 2014

Seit meiner Fotografie-Ausbildung an der Werkstatt für Photographie in Berlin-Kreuzberg und bei Michael Schmidt in den 1970er Jahren kenne ich die Arbeiten von Karl-Martin Holzhäuser und Gottfried Jäger unter dem Begriff Generative Fotografie.

Holzhäuser und Jäger lehrten jahrzehntelang an der Fachhochschule Bielefeld. Darüber hinaus sind die weiteren Lehrenden und Schüler bundesweit weniger bekannt geworden. Mit der aktuellen Foto-Ausstellung in der Alten Stadtbibliothek in der Wilhelmstraße 3 in Bielefeld – so hoffe ich – wird sich dies ändern.

Am 7. September 2014 waren wir bei der Eröffnung, der von dem Berliner Foto-Historiker Dr. Enno Kaufhold hervorragend kuratierten Ausstellung »Die Bielefelder Schule. Fotografie im Kontext« in Bielefeld. Und wir sahen die meisterlichen Arbeiten von 24 herausragenden Fotografen, die in den vergangenen 50 Jahren an der Fachhochschule Bielefeld gelehrt und gelernt haben.

Genau so stelle ich mir eine perfekte Gruppenausstellung vor: Der passende Ort (die Alte Stadtbibliothek), gut bespielte Stellwände, die so aufgestellt sind, dass sie stets den Blick für das Ganze zulassen und 24 fotografische Arbeiten, die jeweils für sich sprechen. Website

»Die Bielefelder Schule. Fotografie im Kontext, Eröffnung 07.09.2014, Grafik © Friedhelm Denkeler 2014
»Die Bielefelder Schule. Fotografie im Kontext, Eröffnung 07.09.2014, Grafik © Friedhelm Denkeler 2014

Allen 24 Fotografen gerecht zu werden und sie hier vorzustellen, würde jeden Rahmen sprengen. Sie sollen aber zumindest alle in meiner Grafik mit ihren ganz unterschiedlichen Werken genannt werden. Hierbei habe ich eine subjektive Zuordnung zu drei Themenblöcken, die in der Ausstellung so nicht genannt werden, vorgenommen. Ich nenne sie experimentelle, journalistische/soziale und fotografische Arbeiten. Sechs Künstler aus den unterschiedlichen Kategorien werde ich im Folgenden mit ihren Arbeiten vorstellen.

Katharina Bosse: »A Portrait of The Artist As A Young Mother«, 2007

In ihren großformatigen (125 cm x 160 cm) Farbbildern richtet Bosse mit Hilfe von Assistenten den Kamerablick auf sich selber. An ausgesuchten Orten in der freien Natur, mit jeweils wechselnden Accessoires und mit ihren beiden Kleinkindern, setzt sie sich mit den »Widersprüchlichkeiten zwischen der wertebewahrenden Rolle der Mutter und der normbrechenden Künstlerin« in Szene. Die ikonografischen Vorbilder, wie Maria mit dem Kind oder Maria im roten Mantel, setzt sie sparsam ein. Sie müssen vom Betrachter selbst erkannt und interpretiert werden. Die 1968 in Finnland geborene Künstlerin studierte 1988 -1994 an der FH Bielefeld Fotografie und ist seit 2003 ebenda Professorin für Fotografie. Sie lebt in Bielefeld.

Katharina Bosse: »A Portrait of The Artist As A Young Mother«, 2005 – 2007, Die Bielfelder Schule. Fotografie im Kontext, Alte Stadtbibliothek Bielefeld, Foto © Friedhelm Denkeler 2014
Katharina Bosse: »A Portrait of The Artist As A Young Mother«, 2005 – 2007, Die Bielfelder Schule. Fotografie im Kontext, Alte Stadtbibliothek Bielefeld, Foto © Friedhelm Denkeler 2014

Andrea Diefenbach: »Land ohne Eltern«, 2008 – 2010

Diefenbachs farbigenAufnahmen (30 cm x 40 cm) entstanden in Moldawien und befassen sich mit den sozialen Verhältnissen im Land. Armut ist das beherrschende Thema, das immer mehr Erwachsene in das westliche Ausland treibt. Ihre eigenen Kinder lassen die Eltern oftmals, wenn auch nur vorübergehend, in der Heimat zurück. Diesen schmerzhaften Zustand der längeren Trennung gibt Diefenbach in ihren Fotografien wieder. Aus der Sicht der Eltern und aus der Sicht der Kinder. Die 1974 in Wiesbaden geborene und heute dort lebende Künstlerin hat zwischen 2000 und 2006 an der FH Bielefeld studiert. Sie lehrt seit 2013 an der Hochschule Darmstadt. Ihre Arbeit Land ohne Eltern ist 2012 als Buch erschienen. Sie arbeitet als Freie Fotografin unter anderem für GEO, STERN und Zeit.

Karl-Martin Holzhäuser: »Licht-Bilder«, 1969 – 2005

Der Kontakt zu Gottfried Jäger, dem Begründer der Generativen Fotografie, brachte Holzhäuser zur Lichtmalerei mit gegenstandslosen Bildern, die zu seiner Handschrift wurden. »Technisch gesprochen trägt er mit einem von ihm erfundenen Lichtpinsel farbiges Licht auf fotografisches Farbpapier. Ästhetisch eröffnet dies einen Kosmos möglicher Bildgestaltungen«. Der 1944 geborene Holzhäuser absolvierte im Museum Dahlem in Berlin eine Lehre als Fotograf und studierte an den Kunstschulen in Darmstadt, Saarbrücken und Hamburg. Zwischen 1970 und 2006 lehrte er als Professor an der FH Bielefeld. Er lebt heute in Bielefeld.

SebastianDenz: „Skateboarding.3D“, 2066 – 2007

Mit einer eigens konstruierten 3D-Großformatkamera reiste Denz berühmten Skateboard-Fahrern durch halb Europa hinterher und fotografierte sie an außergewöhnlichen Locations. Bedingt durch die Stereo-Technik und ihren Überlappungen in Rot und Cyan haben die Großfotografien (180 cm x 90 cm) ihren eigenen Reiz. Der 3D-Effekt erschließt sich dann mit den bereit liegenden Stereo-Brillen. Der 1974 geborene Denz lebt zurzeit in Berlin und ist seit 2011 Professor an der Design-Akademie in Berlin. Sein Studium in Architektur und Fotografie absolvierte er in Hannover und Bielefeld.

Roman Bezjak: »Socialist Modernism«, 2005 – 2011

An den Schnittstellen zwischen Vergangenheit und Zukunft liegt der Fokus von Bezjaks großformatigen Farbbildern (176 cm x 140 cm). Die einstige Utopie für den neuen, sozialistischen Menschen in den osteuropäischen Ländern spiegelt sich noch heute in der Wirklichkeit der vorhandenen Nachkriegsarchitektur. Die Uniformität der kolossartigen Wohngebäude trifft auf verspielte ornamentale Verzierung, die eine individuelle Prägung erzeugen. Der 1962 in Slowenien geborene und heute in Hamburg lebende Fotograf ist seit 2000 Professor an der FH Bielefeld.

Andrea Sunder-Plassmann: "Tableaux Vivants", 2012 ("Die Bielfelder Schule. Fotografie im Kontext" (Alte Stadtbibliothek Bielefeld), Foto © Friedhelm Denkeler 2014
Andrea Sunder-Plassmann: »Tableaux Vivants«, 2012, Die Bielfelder Schule. Fotografie im Kontext, Alte Stadtbibliothek Bielefeld, Foto © Friedhelm Denkeler 2014

Andrea Sunder-Plassmann: »Tableaux Vivants«, 2012 und »Larva«, 1986 – 2009

In Bielefeld ist Sunder-Plassmann mit zwei Arbeiten vertreten. Die ausgestellten Selbstporträts stammen aus ihrer Serie Larva. Dem gegenüber steht eine Videoarbeit aus dem Jahr 2012. Dieses Tableau Vivant lässt sich im weiteren Sinne als eine Gruppenaufnahme mit verlangsamt projizierten Personen beschreiben. In dem etwa 10minütigen Video werden Personen in mehreren Einstellungen aufgenommen und zeigen unterschiedliche Emotionen. Die Künstlerin wurde 1959 in Münster geboren und lebt heute in Berlin. Von 2001 bis 2006 war sie Professorin an der FH Bielefeld.

"Die Bielefelder Schule. Fotografie im Kontext" (Alte Stadtbibliothek Bielefeld), Foto © Friedhelm Denkeler 2014
»Die Bielefelder Schule. Fotografie im Kontext«, Alte Stadtbibliothek, Bielefeld, Foto © Friedhelm Denkeler 2014