Der frühe Vogel fängt den Wurm – und sieht das Hermelin

Von Friedhelm Denkeler,

Gesichter der Renaissance – Meisterwerke italienischer Portrait-Kunst

»Der frühe Vogel fängt den Wurm«, Foto © Friedhelm Denkeler 2011

Bereits vor dem Beginn der großen Sonderausstellung in Berlin wurde um sie ein Hype erzeugt – auch wir ließen uns davon anstecken und besorgten uns rechtzeitig die Earlybird-Tickets. Und das war auch gut so, denn bereits zum Start der Ausstellung waren sie restlos ausverkauft.

Dank der Tickets konnten wir eine Stunde vor der offiziellen Öffnung des Bodemuseums, vorbei an der langen Schlange des Kassenhäuschens, die Ausstellung besuchen.

Zu diesem frühen Zeitpunkt war die Dame mit dem Hermelin, bewacht von finster dreinschauendem Aufsichtspersonal, noch ganz alleine ihrem Kabinett. Cecilia Gallerani (1473 – 1536), die 16jährige Geliebte des Herzogs von Mailand, konnten wir so in aller Ruhe bewundern.

Mit großer Sensibilität hat Leonardo da Vinci, zehn Jahre vor der berühmten Mona Lisa, sie mit ihrem Lieblingstier, dem Hermelin, gemalt. Nach Ansicht von Zoologen soll es sich allerdings um ein Frettchen handeln. Hermelin klingt aber viel schöner.

Es ist ein außergewöhnliches Porträt geworden: Mit weichem Licht sind die Züge der Celilia vor dem Dunkel des Hintergrundes dargestellt. Dabei scheint es, als wende sie sich über die Schulter einem Gegenüber außerhalb des Bildfeldes zu. Diesem gilt auch die Aufmerksamkeit des gespannten Hermelins auf ihrem Arm. Ist es der Ehemann oder der Liebhaber?

Mach Deine Gestalten immer so, dass der Kopf nicht auf dieselbe Seite gewendet ist wie die Brust, denn die Natur hat uns zu unserer Bequemlichkeit den Hals gegeben, der mit Leichtigkeit den verschiedenen Gelüsten des Auges folgen und sich in verschiedenen Richtungen drehen kann.

"Am Bodemuseum", Foto © Friedhelm Denkeler 2011
»Am Bodemuseum«, Foto © Friedhelm Denkeler 2011

Das schreibt Leonardo da Vinci in seinem Lehrbuch der Malerei. Sein Bildnis der Cecilia scheint die praktische Umsetzung dieses Grundsatzes zu sein. Das bedeutet auch, dass sie sich zu ihrem Liebhaber umwendet.

Die Gesichter der Renaissance entstanden in Kooperation der Staatlichen Museen Berlin mit dem Metropolitan Museum of Art, New York. Die Ausstellung mit mehr als 150 Hauptwerken der italienischen Portraitkunst des 15. Jahrhunderts läuft noch bis zum 20. November 2011.

Einen zweiten Besuch der Ausstellung (es soll dank verlängerter Öffnungszeiten noch Tickets für die Abendstunden geben) und einen weiteren Bericht habe ich geplant.

Die Dame mit dem Hermelin (1489/90, 55×41 cm) ist allerdings nur bis zum 31. Oktober zu sehen. Da Vincis Gemälde gehört der Sammlung Czartoryski, Krakau. Berlin ist eine der vorläufig letzten Stationen im Ausland, die das Werk zeigen darf. Anschließend wird es für zehn Jahre in Polen verbleiben. In dieser Zahl und dieser Schönheit werden diese Gesichter sicher nie wieder zusammen kommen. Leonardo da Vinci: »Die Dame mit dem Hermelin«: Bild und Website.